Fachkräftemangel…?

Ich frage mich schon seit Jahren wo denn die Pflegefachkräfte bleiben die wir jedes Jahr ausbilden?
Haben wir wirklich einen Fachkräftemangel? Also zu wenige Fachkräfte?

 

Laut VERDI haben im Schuljahr 2014/2015 über 137.000 eine Ausbildung in der Altenpflege, Gesundheits- und Kranken- oder Kinderkrankenpflege begonnen. In den Jahren davor lagen die Ausbildungszahlen zwischen ca. 50.000 und 60.000 Auszubildenden in allen pflegerischen Disziplinen. Ich finde zwar auch, das da noch viel Luft nach oben ist, aber es sind schon beeindruckende Zahlen.

 

Oder ist es nicht vielmehr so, das ein ganz erheblicher Teil der, für viel Geld ausgebildeten Kollegen und Kolleginnen die schlechten Arbeitsbedingungen nicht mehr ertragen? Die Rahmenbedingungen sind vielfach so schlecht, das die eigene Gesundheit geschädigt wird, das Familienleben darunter leidet, Freizeitplanung nicht verlässlich ist und vieles mehr. Natürlich werden wir viel zu schlecht bezahlt und unser Image in der Öffentlichkeit ist seit vielen Jahren alles andere als gut.

 

Also schon mal eine ganze Menge guter Gründe dem Pflegeberuf den Rücken zu kehren. Und es gibt noch eine ganze Menge mehr Gründe dies zu tun. Doch ein Aspekt kommt mir in den Diskussionen immer zu kurz…

 

In der Ausbildung wird uns seit Generationen beigebracht, das wir für den Menschen da sein sollen. Das wir Bedürfnisorientiert handeln sollen und Defizite ausgleichen sollen. Das wir Ressourcen erkennen und auf dieser Basis Hilfe zur Selbsthilfe leisten sollen. Wir sollen Perspektiven, auch und gerade am Ende eines langen und oft beschwerlichen Lebens bieten und verständnisvoll den verbliebenen Lebensweg begleiten.

 

Und dann kommt der Praxisschock. Wer nicht schon während der Ausbildung aufgibt und sich dem finanziellen Mainstream ergibt, also sich an die Gegebenheiten anpasst, der wird allzu oft einen steinigen Weg vor sich haben. Sich für die Bedürfnisse pflege- und hilfebedürftiger einzusetzen oder es gar anzustreben ressourcenorientiert zu Pflegen und zu Betreuen hat es in der deutschen Pflegewelt des 21. Jahrhundert nicht leicht.

 

Wie auch. Wir werden in drei Jahren zu Pflegefachkräften ausgebildet, wir haben einen theoretischen Unterbau der uns Moral und Ethik, Menschlichkeit und Güte lehrt. Doch wo werden wir dies in der Praxis anwenden? Wie werden wir die moralischen Grundlagen umsetzen? Werden wir es schaffen, gegen alle Widerstände einen Pflegegrad zu reduzieren? Werden wir unser Wissen um den Umgang mit Menschen mit Demenz anwenden können? Oder doch wieder das Beruhigungsmittel verabreichen wenn die „Schreioma“ mal wieder herzzerreißend um Hilfe ruft?

 

Nicht so handeln zu können wie es die eigene Moral und das pflegerische Selbstverständnis fordern, immer wieder Grenzen aufgezeigt zu bekommen und sich für menschliche Zuwendung rechtfertigen zu müssen, macht die eigene Seele krank. Wozu haben wir all diese Dinge gelernt, wenn die Praxis dies nicht zulässt?  Wenn extern in Hochglanzbroschüren eine heile (Pflege) Welt propagiert wird und ich intern um jede Minute für menschlicher Zuwendung kämpfen muss.

 

Und wenn ich die Aussichtlosigkeit erkenne, nicht das tun zu können wofür ich ausgebildet worden bin, dann verlasse ich den Beruf. Wie es viele getan haben und in Zukunft auch tun werden. Nicht weil sie nicht bereit wären, alles Mögliche zu leisten (und häufig weit darüber hinaus), sondern weil der Abgrund zwischen Theorie und Praxis in unserem Berufsbild so groß ist wie in kaum einem anderen Beruf.

 

Da fragt man sich doch ob es nicht an der Zeit wäre für ein anderes, menschenwürdiges Pflegeverständnis einzutreten. Ob wir dann immer noch von einem „Fachkräftemangel“ reden müssten?

 

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